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J.Maulbetsch

Blog: "Literatur - oder was man dafür halten kann"

Im Supermarkt des Lebens gehen wir Tag für Tag unseren Weg durch die Regale voller Waren. Bleiben hier und da stehen, schauen uns etwas genauer an und entscheiden uns dann, ob wir es gebrauchen können, oder nicht.
Das was du aus diesem Blog an Ideen gebrauchen kannst, nimm für dich mit. Alles andere lass getrost liegen.


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2019-09-24

Ein Versuch die industrielle Revolution und den digitalen Kapitalismus mithilfe “des Algorithmus” zu verstehen

Eine private Hausarbeit die ich im Rahmen meines Philosophiestudiums verfasst habe.
Der Inhalt und das Thema halte ich für teilenswert.
Wer genauer nachlesen will, kann sich an der Literaturliste am Ende orientieren.
[getreu dem Motto: Trinke immer aus der Quelle, nicht aus dem Sumpf]

Viel zu lesen, ich weiss. Lohnt sich aber.

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Mich interessieren die Fragen:

Woher kommen wir als Menschheit?
Was ist der aktuelle Zustand?
Wohin gehen wir?

(In Klammern sind die Quellenbelege vermerkt, die auf die Literaturliste am Ende verweisen)

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Inhaltsangabe

1.0 - Einleitung

2.0 - Was ist Kapitalismus?
2.1 - Fazit

3.0 - Der Begriff des Algorithmus
3.1 - Die Tragweite des Algorithmus-Begriffes
3.2 - Fazit

4.0 - Die industrielle Revolution
4.1 - Fazit

5.0 - Die digitale Revolution
5.1 - Digitaler Kapitalismus

6.0 - Fazit

Literaturverzeichnis

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1.0 - Einleitung

Im Rahmen dieser Arbeit interessiert es mich die digitale Revolution besser verstehen zu können. Da diese ihrerseits auf der industriellen Revolution fußt, kommt man nicht umhin, beide Ereignisse vergleichend zu betrachten. Zunächst soll der Fokus auf das Wesen des Kapitalismus gerichtet sein, welcher die industrielle Revolution zur Blüte brachte und eine zentrale Antriebskraft beider Ereignisse ist. Der zweite wesentliche Aspekt auf den ich mich fokussieren werde ist ein mit der digitalen Revolution erblühendes und zentrales Element eben dieser: Der Algorithmus-Begriff. Dieser wird als ein gemeinsamer Nenner herangezogen, welcher dadurch eine fundamentale Betrachtungsweise bietet, mit dessen Hilfe beide Ereignisse wunderbar in Verbindung gebracht werden können. Abschließend sollen im Rahmen des bisher betrachteten, beide Ereignisse beleuchtet werden.

Das was die Menschheit durch ihre Entwicklungsgeschichte hindurch stets begleitete waren die drei großen Plagen Hunger, Krankheit und Krieg. Diese drei Gefahren traten in der Menschheitsgeschichte hindurch immer wieder aufgrund natürlicher Gegebenheiten auf und bedrohten die Menschen immer wieder in ihrer Existenz. Dazu liefen die Menschen stets Gefahr, unter die biologische Armutsgrenze zu fallen. Mit biologischer Armutsgrenze ist das ausreichende Absichern mit Subsistenzmitteln gemeint. Lange Zeit stand die Menschheit diesen Plagen machtlos gegenüber. (Vgl. Harari, 2019, S. 9ff) Dies änderte sich, indem die Menschheit allmählich mittels Wissenschaft und Technik begann, die Zügel der Macht selbst in die Hände zu nehmen. Harari schreibt: „In den letzten hundert Jahren haben technologische, ökonomische und politische Entwicklungen ein immer robusteres Sicherheitsnetz geschaffen, das die Menschen über der biologischen Armutsgrenze hält.“ (Harari, 2019, S. 14) Er schlussfolgert: „Es gibt heute praktisch keine “natürlichen” Hungersnöte mehr auf dieser Welt, sondern nur politische.“ (Harari, 2019, S. 14) Damit ist gemeint, dass alle Probleme der Welt in Menschenhand liegen und auf eine ungeschickte Organisation zurückzuführen ist. Eben dieses robuste Absichern profitiert von den Entwicklungen des Kapitalismus, welcher einen Teil des Sicherheitsnetzes darstellt.

Um die Machtfrage im Kern und die damit zusammenhängende Wichtigkeit der Algorithmen zu verstehen, soll das betrachtet werden was Harari als den „modernen Pakt“ bezeichnet: „Die Menschen stimmen zu, auf Sinn zu verzichten, und erhalten im Gegenzug Macht.” (Harari, 2019, S. 311) Mit Sinn ist eine Erklärung gemeint, welche sich auf Götter und Übersinnliches beruft und die Machtlosigkeit des Menschen gegenüber der Natur zum Ausdruck bringt. Im Verzicht auf diesen Sinn und im Formulieren von Naturgesetzen in Form von Algorithmen, kommt die Menschheit in die Lage sich diese Gesetze zu Nutze zu machen. Damit kann dank des gewonnenen Wissens, die sonst nur natürlich auftretenden Algorithmen durch das Herausarbeiteten eben dieser, vom Menschen selbst gestaltet werden. Damit erhält der Mensch nicht nur Macht über die Organisation natürlicher Abläufe, es gehen auch die ehemals natürlich vorkommenden Plagen zusehends in den Machtbereich des Menschen über.
Im Ausleuchten des Kapitalismusbegriffes kann man den Vorgang verstehen, wie sich die Menschheit schleichend vor der Natur emanzipierte und dass im Anschluss daran, die digitale Revolution eine logische Folge der industriellen Revolution ist.

2.0 - Was ist Kapitalismus?

Zunächst soll der Begriff des Kapitalismus geklärt werden, damit im weiteren Verlauf mit dem Wesen dessen gearbeitet werden kann und der Begriff nicht bloß zu einem reinen emotional geprägten Kampfbegriff verkommt.
Kapitalismus kommt vom lateinischen Wort „Kapital“ und bedeutet so viel wie: „Kopf“, bzw. „Haupt“. Die Begriffswahl lässt sich verstehen, wenn man die haupt-sächliche Abhängigkeit der menschlichen Existenz betrachtet.

Im Zuge der Agrarrevolution hatten die Menschen hauptsächlich „direkten Zugang zu ihren Subsistenzmitteln: Land für Ackerbau und Viehzucht und zum Wohnen”. (Srnicek – Der Lange Niedergang, 2018, S. 4) Die Menschen waren damals unmittelbar, also ohne das zwischenschalten eines Mittels, mit den von ihrer Arbeitskraft produzierten und existenzsichernden Subsistenzmitteln, verbunden. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung, dem einhergehenden Etablieren von Handwerk, Handel und Verwaltung, änderte sich dies zunehmend zu einem nur noch mittelbaren Zugang zu den existenzsichernden Grundmitteln. So konnte ein Handwerker beispielsweise nicht unmittelbar von seinen hergestellten Waren leben, da diese Waren ihrer Natur nach nicht essbar sind. Diese mussten zuerst als Mittel zum Zweck des Tausches gebraucht werden, damit die eingesetzte Arbeitskraft am sich etablierenden Markt, in Subsistenzmittel umgesetzt werden konnte. Eine zunehmende Abhängigkeit zugunsten des Marktes begann, welche mit dem Auftauchen von Geld eine interessante Entwicklung in sich barg. Geld stellt dabei eine allgemeine Äquivalentform dar, eine Ware des Marktes, auf welche sich alle  anderen Waren beziehen. Das heißt, der Wert jeder Ware wird in der „Ware“ Geld ausgedrückt.[font=Calibri] ([/font]Vgl. MEW [Marx-Engels-Werke] 23, 83ff) Im Prozess des Tausches von Ware gegen Geld und dem Rücktausch von eben diesem Geld in jede beliebige Ware, ein sehr nützliches und universelles Werkzeug. Das Besondere ist nun, dass aus Geld im Eintauschen in eine Ware und dem Zurücktauschen in Geld, mehr Geld werden kann, indem man nicht das Geld, sondern die Ware als Werkzeug gebraucht. Man hat damit eine Ware für mehr Wert verkauft, als man diese eingekauft hat. Dieser Mehrwert, welcher durch das Vermehren von Geld in diesem Bewegungsprozess entsteht, ist das was Karl Marx „Kapital“ nennt. (Vgl. MEW, 23, 165ff)

Zunächst birgt der Gebrauch von Geld einerseits das Problem in sich, dass „Geld […] selbst“ eine „Ware“ ist, „ein äußerlich Ding, das Privateigentum eines jeden werden kann.“ In der Folge wird so „die gesellschaftliche Macht […] zur Privatmacht“. (MEW, 23, 146) Wer also Geld verwaltet, hat Macht. Das Zweite ist, dass mit dem Umwandeln von Geld in Kapital ein Wachstum des Marktes einhergeht. Harari beschreibt das Wachstum anschaulich als einen „Wunderkuchen“. (Vgl. Harari, 2019, S. 320ff) Damit meint er, dass die Welt mit ihren endlichen Ressourcen wie ein Kuchen betrachtet werden kann, bei dem es eine logische Folge ist, dass bei ansteigender Bevölkerungszahl und steigendem Kapitalisierungsprozess, jeder Mensch ein immer kleineres Stück abbekommt und der Gewinn des Einen, immer einen Verlust des Anderen darstellt. Um dieses Dilemmata zu lösen, gründet „die Moderne […] auf der festen Überzeugung, dass Wirtschaftswachstum nicht nur möglich, sondern absolut essentiell ist.“ (Harari, 2019, S. 320) Mit einem ständig wachsenden Kuchen kann jetzt nicht nur jeder behalten was er hat, sondern auch sein Stück so vermehren, dass es zu einer win-win-Situation kommt und alle beteiligten Akteure durch den Handel am Markt ihr Stück gemeinsam vergrößern können.

Das Problem mit dem Wachstum offenbart sich allerdings darin, dass der Planet auf dem wir leben, der reale Kuchen den wir uns alle teilen, uns leider nur eine begrenzte Menge an Ressourcen zur Verfügung stellt. Konnte der Imaginäre und ehemals lokal begrenzte Kuchen dieses Problem in den letzten Jahrhunderten durch die Eroberung neuer Gebiete und Kolonien lösen, wurde es längst zum globalen Problem ausgeweitet: Der imaginäre und lokale Wunderkuchen stößt an die realen Grenzen der globalen Welt. Um in dieser begrenzten Welt weiter wachsen zu können, stellt sich die Frage, wo es noch neues Land zu besetzen und neue Ressourcen zu erschließen gibt.
Durch die Entwicklung von Schrift, Algorithmen, Mathematik und Wissenschaft konnte laut Harari zu den beiden Ressourcen Energie und materielle Rohstoffe, zudem eine dritte, immaterielle Rohstoff-Quelle angezapft werden: Wissen. Das wunderbare an dieser Ressource ist, dass diese „eine wachsende Ressource“ ist „– je mehr man davon nutzt, desto mehr hat man.” (Harari, 2019, S. 330) Mithilfe von Wissen kann dieses nicht nur in effizientere Technologien umgesetzt werden, sondern auch dazu dienen neue Energiequellen und Ressourcen zu erschließen, welche sich zu den bereits bekannten dazu gesellen. So konnte sich zu der Ressource Kohle mit weiterem Anwachsen des Wissens das Öl dazu gesellen und später die Atomkraft. All dieses in neue Technologien manifestierte Wissen brachte einen immensen Rattenschwanz an markterweiternden Arbeitsabläufen mit sich. Zudem konnte neues, darauf aufbauendes Wissen generiert werden. Der materielle Kuchen kann so dank des Wissens, als ein reales Stück gewachsen betrachtet werden.

Über dem ständigen Wachstum schwebt das Damoklesschwert, welches Harari als den „ökologischen Kollaps“ bezeichnet. Zum einen ist damit gemeint, dass der Mensch so irreparabel in die Abläufe der Natur eingreift und die natürlichen Abläufe, bzw. Algorithmen, in einem größeren Maße gestört werden, als diese sich neu ausrichten und regenerieren können. Zum anderen meint der ökologische Kollaps, dass der Lebensstandard in manchen Bereichen der Welt so verschwenderisch geworden ist, dass man mehr als nur einen Planeten benötigte, wollte die ganze Weltbevölkerung diesen Standard haben. (Vgl. Harari, 2019, S. 332ff) Zu den drei natürlichen und meist lokal begrenzten Plagen gesellt sich eine vierte, von Menschenhand gemachte und globale Plage.

2.1 - Fazit

Im Laufe der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung nahm die Abhängigkeit vom Markt, für Produzenten als auch Konsumenten stetig zu, bis diese im System des Kapitalismus kulminierte. In diesem System wird durch einen Tauschprozess mehr Geld eingehandelt, als man investiert hat. Dies hat zur Folge, dass unter anderem der Markt ständig zu wachsen hat, da ansonsten der Gewinn des einen immer einen Verlust des anderen darstellt. Dadurch kommt ein Konkurrenzdruck auf Geber- als auch auf Nehmerseite zustande, der in seiner Konsequenz „zu einem systemischen Zwang“ führt, „die Produktionskosten im Verhältnis zu den Preisen zu reduzieren. Das lässt sich auf verschiedenen Wegen erreichen; die wichtigsten waren die Anwendung effizienter Technologien und Techniken im Arbeitsprozess, Spezialisierung und die Sabotage von Konkurrent_innen.“ (Srincek - I Der Lange Niedergang, 2018, S. 4) Wer also einen effektiveren Kapitalisierungsprozess zustande bringt, viel Geld zur Verfügung hat und mehr Wert schöpfen kann als andere, hat leichteres Spiel sich am Markt und damit in der Existenz, zu behaupten.

Die Möglichkeit des Wachstums im immateriellen Bereich des Wissens und der Anwendung in Technologie bietet ein immenses Potential an Neuland, in welchem der Markt sich unbegrenzt ausbreiten kann. Der momentan erreichte Punkt dieser Entwicklung stellt die globale Vernetzung und der sich dort im virtuellen Raum etablierende Plattformkapitalismus dar.
Bevor die industrielle und die digitale Revolution betrachtet wird, soll zunächst der fundamentale und kleinste gemeinsame Nenner, der Algorithmus, beleuchtet werden.

3.0 - Der Begriff des Algorithmus

Um zu verstehen was mit einem Algorithmus gemeint ist und wieso diese Form so fundamental und erfolgreich ist, soll diese im Folgenden untersucht werden. Im digitalen Zeitalter ist dieser Begriff durch die allgegenwärtige Präsenz von Rechenmaschinen in das Zentrum des Verständnisses gerückt und bietet die Möglichkeit, verschiedene Fäden der Entwicklungsgeschichte bis hin zum digitalen Kapitalismus offenzulegen.

Unter einem Algorithmus versteht man eine klar geregelte Abfolge von Handlungsschritten, um ein Problem zu lösen. Im Prinzip handelt es sich dabei um eine Sprache, welche ihrem Wesen von Syntax und Semantik nach, mathematisch gefasst werden kann. Alles was man in eine mathematische Form bringen kann, kann durch Algorithmen berechnet werden.

Die Idee des Algorithmus als eine Sprache und Schrift, basiert auf der Idee der Schrift selbst, welche es mit der Erweiterung der kognitiven Leistungen ermöglichte, „ganze Gesellschaften nach Art eines Algorithmus zu organisieren.” (Harari, 2019, S. 251) Mit diesen die Gesellschaft dirigierenden Algorithmen konnten „mehrere Zentausende von Arbeitskräfte über mehrere Jahrzehnte zusammenarbeiten, […] können sie einen künstlichen Stausee oder eine Pyramide selbst mit Werkzeugen aus Stein bauen.” (Harari, 2019, S. 255)

3.1 - Die Tragweite des Algorithmus-Begriffes

Zieht man den Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman zu Rate, dann ist „jedes unserer Naturgesetzte […] eine rein mathematische Aussage einer ziemlich komplexen, abstrusen Mathematik.” (Feynman, 2018, S.53) Das heißt nichts anderes als, dass die Wissenschaft nach Möglichkeiten sucht die Vorgänge in der Natur in Form der algorithmischen Mathematik so zu beschreiben, wie es sich in der Natur verhält. Wenn dem so ist, dann lässt sich jedes Phänomen in der Natur wissenschaftlich erfassen und in einen Algorithmus übersetzen. Und genau das ist, was die Wissenschaft macht - sie schafft durch das Aufzeigen und anschließende Formulieren von Algorithmen nach denen sich die Natur verhält: Wissen. Die technischen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte untermauern zudem den Erfolg der Formulierung von Wissen in der algorithmischen Sprache der Mathematik. Nicht nur die Physiker beobachten schon seit längerem, dass mathematische Formeln erstaunlich genau zu den beobachteten Daten passen, sondern auch die Biologen erkennen aufgrund des immensen Wissens in ihrem Bereich zunehmend die Möglichkeit, biologische Vorgänge in der Sprache von Algorithmen auszudrücken. Dabei zeigt sich, dass die Materialien in welchem Algorithmen realisiert sind, keine Rolle spielen. Ob aus Stein, Plastik, Holz, oder Kohlenstoff – die Lösung des Problems „zwei plus drei“ ergibt immer: „fünf“.

Durch die Anwendung von Algorithmen auf organisches Leben bekommt die Debatte um Seele, Körper und Geist eine völlig neue Dimension. Das Individuum, von lateinisch „Eines“, „Unteilbares“, „Einzelding“, wird damit zum Dividuum: zum Teilbaren. Der eine Geist des Menschen wird in viele algorithmische Einzelprozesse zerlegt, die dessen Bewusstsein in geistiger, als auch materieller Hinsicht bevölkern. Im Wissen um die Zusammenhänge dieser algorithmischen Abläufe, können diese auch außerhalb und unabhängig vom menschlichen Organismus realisiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man mechanische Prozesse wie das Einschenken einer Tasse Kaffee an einen Automaten outsourcet, oder geistige Prozesse an einen Taschenrechner. Das Prinzip ist immer dasselbe: eine klar geregelte Abfolge von Handlungsschritten, um ein Problem zu lösen. (Vgl. Harari, 2019, S. 505)

Je einfacher, schlichter und effizienter die Umsetzung von Algorithmen ist, desto erfolgreicher die damit interagierende Umgebung. Das heißt für den kapitalistischen Eigentümer: Je besser sein Eigentum und als Teil dessen die Ware produzierende Fabrik dirigiert wird, desto erfolgreicher der Kapitalisierungsprozess und damit das geleitete Unternehmen. Das was diesem dabei zur Hilfe kommt und es zum Teil erst ermöglicht sind immer besser werdende Rechenmaschinen, welche immer ausgefeiltere Algorithmen errechnen. Diese helfen dem Eigentümer dabei die mechanischen Abläufe möglichst effizient zu dirigieren, da diese unmittelbar mit der Produktion der Waren und damit mit dem Geldfluss, zusammenhängen.

3.2 - Fazit

Das Universum lässt sich also vollständig mit der Brille der algorithmischen Metapher betrachten und alles darin Befindliche in die mathematische Sprache übersetzen. Mit diesem Blick „besteht“ die Natur „aus Datenströmen, und der Wert jedes Phänomens oder jedes Wesens bemisst sich nach seinem bzw. ihrem Beitrag zur Datenverarbeitung.“ (Harari, 2019, S. 563) In diesem Sinne sind nicht nur Menschen, Gesellschaften, Bienenvölker, Natur, Tiere und Pflanzen Datenverarbeitungssysteme, sondern auch die von Menschenhand gestaltete Ökonomie und darin die bisher erfolgreichste Variante: der Kapitalismus. Laut Harari rührt der Erfolg des Kapitalismus darin, „weil verteilte Datenverarbeitung besser funktioniert als zentralisierte“. (Harari, 2019, S. 570) Damit ist gemeint, dass das direkte Verbinden von Käufer und Verkäufer wesentlich effektiver ist, weil die datenverarbeitenden Algorithmen sich durch freie Entscheidungen, als auch durch das Lernen durch Fehler anderer, sich rückkoppelnd selbst optimieren können. In einem zentralen System, welches nicht nur langsamer ist, können dagegen Fehler katastrophal sein. Im Prinzip wurde damit die Vernetzung und gegenseitige Rückkopplung der kognitiven Revolution (Vgl. Reichholf, 2014, S. 225 ff)auf die nächste Stufe gehoben und auf die von Menschenhand erschaffene Maschinerie übertragen. Lokal organisierte Inseln mechanischer Abläufe können so mittels Vernetzung ihrer geistigen Algorithmen nicht nur diese, sondern auch das Handelsnetz effektiver organisieren, in welches alle Inseln eingebettet sind. Ist in der zentralen Verarbeitung alle Macht bei der Zentrale, wird diese bei der dezentralen Vernetzung verteilt. So Vorteilhaft dieses vor Machtmissbrauch schützt, so sehr gelangt dieses System aktuell an seine Grenzen.
Vernetzung, Regelung durch Algorithmen und der Manifestation dieser, als auch das Thema der Macht, soll in den folgenden beiden Abschnitten genauer betrachtet werden.

4.0 - Die industrielle Revolution

Die industrielle Revolution stellt das Ereignis dar, in welchem die Menschen die Abläufe ihrer Arbeitskraft massenweise an Maschinen zu outsourcen begannen. Sind die menschlichen Abläufe in Algorithmen formulierbar, können diese mit den geistigen Werkzeugen der Mathematik im Lichte der physikalischen Erkenntnisse so bearbeitet werden, dass diese an die vorhandenen Ressourcen von Maschinen und Material angepasst werden können. Zu Beginn steht die Dampfmaschine, welche von James Watt verbessert wurde und erstmals effektiv genug an jedem beliebigen Flecken Erde die in der Kohle steckende chemische Energie in eine kreisförmige Bewegungsenergie umwandeln konnte. Waren die Algorithmen im Menschen zuvor an die Grenzen des Organismus „Mensch“ gebunden, konnten diese erstmals vom Menschen gelöst werden und beispielsweise in einem Stahlwerk Hämmer bedient werden, die um ein vielfaches größer waren als der schwerste Hammer den ein Mensch alleine hätte stemmen können. Maschinen sind zudem nicht an Pausen und Schlaf gebunden und können somit rund um die Uhr, sieben Tage die Woche laufen.

Der Grund für das Outsourcen der mechanischen Abläufe an Maschinen ist, dass mithilfe dessen ein effektvierer Kapitalisierungsprozess durch mehr produzierte Waren in geringerer Zeit möglich ist, wodurch die Gewinnspanne steigt. Marx formuliert: „Das Kapital hat aber einen einzigen Lebenstrieb, den Trieb, sich zu verwerten, Mehrwert zu schaffen, mit seinem konstanten Teil, den Produktionsmitteln, die größtmögliche Masse Mehrarbeit einzusagen.” (MEW, 23, 247) Mit Mehrarbeit mein Marx hier den Teil der Arbeit, welcher über den mindesten Betrag hinausgeht der geleistet werden muss, damit die Produktionsstätte über ihre Eigenfinanzierung von Arbeitern und Instandhaltung der Maschinerie sich erhalten kann. Denn das Besondere an der Arbeit der Arbeiter ist, dass mit der geleisteten Arbeitskraft diese einerseits sich selbst und ihre Familien versorgen müssen, andererseits aber auch die Fabrik an sich. Gebäude, Maschinen und Werkzeuge verschleißen und müssen daher von Zeit zu Zeit ersetzt und erneuert werden, was Geld kostet. Das wiederum von den Arbeitern erwirtschaftet werden muss, denn nur was am Ende materialisierte Arbeitskraft und Ware ist, kann am Markt in Geld umgesetzt werden. (Vgl., Quante,  2008, S. 134) Damit die Möglichkeit zu arbeiten, als auch Kapital zustande kommen kann, haben die Arbeiter mehr zu arbeiten als diese zu ihrer persönlichen Existenzsicherung brauchen und laufen Gefahr, als bloße Rohstoffe des Kapitalisierungsprozesses betrachtet zu werden.

Kommt die Produktionsstätte nun in diesen Bereich der Mehrarbeit hinein, wird erfolgreich Geld durch den Kapitalisierungsprozess erwirtschaftet. Dieses Geld kann anschließend auf vielfältigste Weise in Mensch, Material und einen besseren Kapitalisierungsprozess investiert werden. Die Versuchung seitens der Kapitalisten ist groß die Mehrarbeitszeit schleichend auszunutzen, um den Mehrwert zu steigern, was diese im Angesicht des wachsenden Marktes und des Konkurrenzdruckes auch müssen.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Eigentümer mit dem erwirtschafteten Geld von Gestern die eingebrachte Arbeitskraft von heute bezahlen. Das heißt, eine Maschine braucht für ihre Herstellung ein halbes Jahr. In diesem halben Jahr müssen die Arbeiter bezahlt werden, da diese sonst verhungern und keiner die besagte Maschine bauen kann. Da die Firma bisher kein Geld erhalten hat, weil die Maschine erst in der Zukunft fertig sein wird, müssen die Arbeiter aus dem vorrätigen Eigentumspool versorgt werden. Dieser wird wiederum durch die Mehrarbeit gespeist.

Die Abhängigkeit vom Markt basiert also auf einer ständigen Investition und erfordert Rücklagen, welche durch Mehrarbeit gebildet wird. Mit dem Aufkommen von Krediten, mit welchen Banken einem dieses Kapital aus dem Nichts heraus zur Verfügung stellen, kann man die enorme Potenz dieses Prinzips erahnen. Kommt es allerdings zu Zahlungsausfällen und die Maschine kann nicht in Geld umgewandelt werden, sieht es mit zukünftigen Investitionen, dem Bezahlen der Arbeiter, dem Instandhalten von Gebäude und Maschinen, als auch dem Zurückzahlen des Kredites, schwierig aus.

Betrachtet man diesen Produktionsprozess, sieht man, dass die hauptsächliche Macht über die mechanischen Algorithmen und damit über das Endprodukt, in den Händen der Eigentümer liegt. Die Eigentümer sind diejenigen, welche die Fabriken, Ressourcen und Maschinen mittels ihrer geistigen Arbeitskraft und ihrem Geld algorithmisch so dirigieren und organisieren, dass diese Wettbewerbsfähig bleiben und am Markt bestehen können. Die Arbeiter sind diejenigen, welche im Rahmen dieser Organisation eingespannt werden und ihrerseits ihre mechanischen Algorithmen in Form von Arbeitskraft investieren, um die geistigen Algorithmen der Eigentümer zu realisieren. (Vgl. MEW, 23, 351 ff) Durch diese Anarchie im Machtgefälle zeichnet sich ein ungleiches Verteilen der Eigentümer ab, was nicht nur soziale Spannungen zur Folge hat, sondern auch wirtschaftliche. (Vgl. Klaus &  Burh, 1972, S. 606)

In diesem Klima der zunehmenden Konzentration an wirtschaftlicher und politischer Macht in den Händen einiger weniger, „wächst die Zahl und die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse, es verschärft sich der Klassenkampf gegen die kapitalistische Ordnung.” (Klaus &  Burh, 1972, S. 606 ff) Um diese zentralisierte Macht zu brechen und um wieder ein Gleichgewicht herzustellen, waren umfangreiche Sozialreformen, als auch Organisationen in Gewerkschaften notwendig. Deshalb heißt es i einem sozialistischen Kampflied: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.” (Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein) Diese Zeilen bringen eindrucksvoll das Verhältnis zwischen geistigen und mechanischen Algorithmen zum Ausdruck, in welchem die Arbeiter klar machen, dass geistige Überlegungen allein keine Waren produzieren können.

Eigentümer und Arbeiter stehen also in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, welche seitens der Eigentümer in einem Machtverhältnis dominiert wird. Schließlich sind sie diejenigen, welche sagen was gemacht wird; auch im Hinblick darauf, wer arbeiten darf und wer nicht. Erst durch das Vernetzen der Arbeiter in ihrer eigenen kognitiven Revolution, dem Schaffen neuer geistiger Algorithmen im politischen Sinne durch Reformen, als auch im materiellen Ausdruck in Form von Streiks, konnte es im Lauf der Zeit zu einem annähernd ausgleichenden Machtverhältnis von Eigentümern und Arbeitern kommen.

4.1 - Fazit

Die industrielle Revolution stellt das Ereignis des massenweisen Outsourcens von mechanischen Algorithmen an Maschinen dar. Durch dieses Outsourcen der mechanischen Algorithmen an Maschinen entsteht ein gigantischer Maschinenraum, welcher in einem nie gekannten Maße Waren produziert. All diese Waren werden durch die Netzwerke des Marktes gepumpt, welche ihrerseits dafür sorgen, dass dieser immense Ausstoß an Gütern die fundamentale Basis liefert, das Sicherheitsnetz zum gesicherten Halten über der biologischen Armutsgrenze robuster werden zu lassen. Da es sich dabei um ein von Menschenhand gemachtes System handelt,  wurde so die Macht über die drei großen Plagen den Launen der Natur entrissen und die Zügel dem Menschen selbst, Stück für Stück an die Hand gegeben. Dadurch tauchen neue von Menschenhand gemachte Probleme auf, welche einerseits Systeminterne Probleme mit sich bringen, aber auch das Problem des ökologischen Kollapses heraufbeschwört.
Konnten die internen Probleme anfangs durch Reformen und Streiks gelöst werden, nimmt mit zunehmendem Verfeinern von Algorithmen und deren Umsetzung ihre Komplexität zu. Diese Komplexität hat einen größeren Verwaltungsaufwand zur Folge, der irgendwann an die Grenzen der menschlichen Organisationsmöglichkeiten stößt und seinerseits eine Revolution erfordert. Diese Revolution vollzog sich in dem Moment, in welchem die Menschen begannen, ihre geistigen Algorithmen massenhaft an Rechenmaschinen zu outsourcen. Dieser Schritt bringt das durch Streiks und Reformen erkämpfte Gleichgewicht zwischen Eigentümern und Arbeitern ins Wanken.

5.0 - Die digitale Revolution

Aus dem Nährboden der Industriegesellschaft entwächst mit dem Aufkommen der ersten Rechenmaschinen Mitte des 20. Jahrhunderts die digitale Revolution empor. Es dringt die vormals nur im Bereich der mechanischen Algorithmen gekannte Möglichkeit zum Outsourcen der Arbeitskraft an Maschinen in den Bereich der geistigen Arbeit hinein. Im Umsetzen dessen, vollzieht sich die digitale Revolution.

Durch die Möglichkeit des Berechnens von Algorithmen mit Lichtgeschwindigkeit erhält der Mensch eine nie dagewesene Potenz und Macht zur Organisation von mechanischen Abläufen und zum Verfeinern dieser. Es kann immer weiteres Wissen entdeckt und immer weitere Probleme gelöst werden. Dadurch können Waren effektiver produziert und durch das Netz des Marktes gepumpt werden. Sind die Algorithmen zunächst mangels Rechenleistung meist zu komplex gewesen um verstanden zu werden, reichen die feiner berechneten Algorithmen bis tief in die Abläufe der Natur hinein. Dadurch kann diese nicht nur besser verstanden, sondern auch verändert werden, wie man aktuell in der Debatte um Klimawandel und ökologischen Kollaps beobachten kann. In dieser immensen Potenz an Organisation offenbart sich auch eine nie dagewesene Abhängigkeit von dieser Macht und damit von den Algorithmen und der Fähigkeit diese zu handhaben.

Die Algorithmen ihrerseits sind wiederum eng mit den Daten verknüpft, mit denen diese gefüttert werden. Bei Daten handelt es sich um Informationen, welche ihrerseits den Ist-Zustand einer Sache beschreiben. Um diese Informationen im Rahmen von Algorithmen nutzen zu können, müssen diese erst abgespeichert und anschließend aufbereitet werden. Die „natürliche Quelle“ aus denen die Informationen extrahiert werden sind die Aktivitäten der analogen Welt, welche mittels virtuellen, oder auch mechanischen Sensoren in Symbole übersetzt werden. (Vgl. Srnicek - II Plattformkapitalismus, 2018, S. 1ff) Das Übersetzen in Symbole und das Einfügen in Algorithmen ist dabei der Vorgang, welcher als Aufbereitung angesehen wird. Aufbereitete Informationen werden dann als Daten dem Wissenspool beigemischt und tragen somit zum Wachstum des Wunderkuchens bei.

Die Rohdaten der Information und die aufbereiteten Daten sind im digitalen Zeitalter zu einer wichtigen Ressource geworden, die als eine Form des Wissens den begrenzten Kuchen erweitern. Je mehr Daten, desto feiner können diese Aufbereitet werden, desto besser können Berechnungen durchgeführt werden und umso effektiver Probleme gelöst - dadurch Natur, Mensch und Material besser organisiert werden. Damit dringt der Maschinenraum in die Welt der geistigen Arbeit vor und es kann sich dadurch ein Rechenzentrum etablieren, welches nicht nur die Verwaltung des Maschinenraums in sich birgt, sondern auch die von Natur und Gesellschaft.

Dabei hängt viel von den erhobenen Daten ab und in welchem Sinne diese gebraucht werden. Zieht man die Abhängigkeit der Existenz vom Markt und der damit einhergehende Kapitalisierungsprozess mit in Betracht wird schnell klar, dass das Erheben, Nutzen und Organisieren von Daten eine sehr starke Tendenz hat sich auf das Erzeugen von noch mehr Kapital auszurichten. Mit Vollzug dieses Telos, kommt es zum digitalen Kapitalismus.

5.1 - Digitaler Kapitalismus

Bezieht sich die digitale Revolution auf den Vorgang des Outsourcens von Algorithmen an Maschinen, setzt dieser Vorgang eine immense Rechenpotenz frei. Was damit berechnet wird und in welchem Sinne ist völlig offen. Im digitalen Kapitalismus werden diese Algorithmen genutzt, um den Kapitalisierungsprozess voran zu treiben. In diesem teleologischen Sinne werden die Inseln des weltweiten Maschinenraums miteinander vernetzt und aufeinander abgestimmt, als auch der virtuelle Raum unter diesem Telos organisiert.

In diesem marktwirtschaftlichen Sinne bedeutet das: Mehr Gewinne können gemacht werden durch immer weniger eingesetztes Eigentum. Und genau das ist, was im Moment im Bereich des Plattformkapitalismus passiert. Einige wenige Mitarbeiter kümmern sich um die Algorithmen eines virtuellen Eigentums und verwalten diese ganz ähnlich wie die Fabrikanten der industriellen Revolution ihre Fabriken verwaltet hatten. Diese virtuelle Fabrik dient als eine vorgefertigte und eingerichtete Plattform, welche als Basis für das Umsetzen von bestimmten geistigen und mechanischen Algorithmen dient. Über eben diese Plattformen kann jeder der mit dem Internet verbunden ist, als Geber und Nehmer von unterschiedlichsten Algorithmen, ganz gleich ob geistig oder mechanisch auftreten und wesentlich effektiver vernetzt werden als jemals zuvor.. (Vgl. Srnicek - II Plattformkapitalismus, 2018, S. 3ff) Durch den Ausbau einer dezentralen Vernetzung steigt mit diesem Prinzip die Effektivität rapide an und droht seit Jahren etablierte offline-Unternehmensmodelle, wie z.B. Taxifahrer durch „Uber“, Hoteliers durch „Airbnb“, den Buchhandel durch „Amazon“, etc. pp.,  aus dem Markt zu drängen. Dabei hat diese zunehmende Vernetzung eine zunehmende Zentralisierung an Macht und damit eine Monopolisierung zur Folge: Im Prinzip herrscht das Credo „the winner takes it all“. Damit ist gemeint, dass diejenige Plattform am erfolgreichsten ist, welche eine möglichst breite Palette an Angeboten unter ihrem Dach der Sucheingabe vereint. (Vgl. Srnicek - II Plattformkapitalismus, 2018, S. 3ff) Durch diese Monopolisierung bricht die von der industriellen Revolution bekannte Anarchie der Machtverhältnisse erneut auf.

Wie diese neue Kluft mit Regeln zu füllen ist, ist im Moment ein großes Problem, da technologische „Revolutionen […] heute viel schneller“ ablaufen „als politische Prozesse.” (Harari, 2019, S. 5739) Im Kern geht es um die Frage der Macht - wer oder was vorgibt, in welchem Sinne die Algorithmen zu organisieren sind. Und das was im Moment den Takt vorgibt ist das kapitalistische Schaffen von immer mehr Wert in den Bahnen einer dezentralen Netzstruktur, welche durch ihr Wesen keine zentrale Eingabestelle der Macht hat. Harari schlussfolgert: „Unsere Zukunft den Kräften des Marktes zu überlassen ist gefährlich, denn diese Kräfte tun, was gut für den Markt ist, und nicht, was gut für die Menschheit oder für die Welt ist.“ (Harari, 2019, S. 578)

Genau darin liegt die größte Gefahr des digitalen Kapitalismus, dass die gesamte Rechenleistung, die Umsetzung in organisatorische Algorithmen und letztendlich jeder mechanische Algorithmus darauf ausgelegt werden wird, den Kapitalisierungsprozess voran zu treiben. Dies beißt sich zutiefst mit dem seit der industriellen Revolution heraufziehenden Problem des ökologischen Kollapses, bei welchem dieses von Menschenhand gemachte System die Basis auf denen dieses fußt, die natürlichen Algorithmen der Welt, untergräbt. Es scheint fast so, als ob die Natur in die Rolle der auszubeutenden Arbeiter geschlüpft ist und die Menschen mitsamt ihrem geschaffenen System in die Rolle der Fabriken. Allerdings weiß im Zeitalter des dezentralen und vernetzten digitalen Kapitalismus keiner mehr so genau, wer die machthabenden Eigentümer sind. (Vgl. Harari, 2019, S. 572 ff „Die traurige Wahrheit ist, dass niemand weiß, wo all die Macht hin ist.“ – S. 575)

6.0 - Fazit

Um den drei Plagen, welche in den Algorithmen der natürlichen Abläufe dieser Welt wurzeln etwas entgegensetzen zu können, emanzipierte sich die Menschheit in einem langsamen Prozess mithilfe besser organisierten und von Menschenhand gestalteten Algorithmen. Das was sich seit der Agrarrevolution zusehends etablierte war der Markt, über welchen alle produzierten und gebrauchten Güter gehandelt und getauscht wurden. Diese Zuwendung zum Markt hatte zur Folge, dass sich das Abhängigkeitsverhältnis zugunsten des Marktes und seiner sich durch diesen Prozess etablierenden Innovationen, verschob. Damit der Handel reibungsloser und effektiver vonstattengehen konnte, wurde das Geld als wichtigstes Werkzeug des Tausches etabliert. Allerdings barg dieses Etablieren von Geld den Kapitalisierungsprozess in sich. Dieses System ermöglichte im Klima der Abhängigkeit vom Mart und dem Aufkommen von Wissenschaft und Technik nicht nur die industrielle Revolution, sondern auch den Wunderkuchen des Wachstums, welcher für eine win-win-Situation für alle Marktteilnehmer sorgt. Beim Ereignis der industriellen Revolution wurden massenweise die algorithmischen Abläufe der menschlichen Arbeitskraft an Maschinen ausgelagert. Dieser Prozess hatte seinerseits zur Folge, dass sich im Lichte des Kapitalisierungsprozesses dieser Vorgang immer weiter ausbreitete und Markt und Gesellschaft zu dominieren begann. Durch den immensen Ausstoß an billiger werdenden Gütern konnte die fundamentale Basis für ein Sicherungsnetz geschaffen werden, welches die Menschen über der biologischen Armutsgrenze zu halten in der Lage ist. Entstandene Ungleichheiten konnte die Gesellschaft mittels Reformen und Gewerkschaften ins Lot bringen. Dieses Lot begann zu kippen, als der Vorgang des Outsourcens von menschlichen Abläufen die geistige Arbeit erreichte. Mit dem Voranschreiten der Technik und der zunehmenden Komplexität wurde es unumgänglich die menschliche Organisationsarbeit durch Maschinen zu unterstützen, welche allerdings so schnell und effektiv waren, dass diese die menschliche Leistung zunehmend übertreffen konnten. In dieser Folge etablierte sich ein virtueller Raum, welcher die Möglichkeit zu unbegrenztem Wachstum in Form von Wissen, Daten und Information ermöglichte. Das Vordringen des Kapitalisierungsprozesses in dieses Neuland markiert den Beginn des digitalen Kapitalismus. In diesem Prozess werden die geistigen Algorithmen in den Dienst des Kapitalisierungsprozesses gestellt und den Regeln des Marktes unterworfen.

Es lässt sich abschließend sagen, dass die digitale Revolution voll und ganz in der Tradition der industriellen Revolution steht, in welcher weiterhin die Arbeitskraft an Maschinen ausgelagert wird. Geschah dies in der industriellen Revolution im mechanischen Sinne, geht es in der digitalen Revolution um geistige Abläufe. Dabei ist die industrielle Revolution noch lange nicht abgeschlossen, denn eine bessere Verwaltung und mehr Wissen haben effizientere Maschinen zur Folge, welche weitere Arbeitsabläufe dem Menschen abnehmen können. Es lässt sich sagen, dass die industrielle Revolution den Maschinenraum des Marktes aufgebaut und die digitale Revolution das Rechenzentrum des Marktes etabliert hat. Was sich aus dieser immensen Potenz gestalten lässt, auch im Hinblick auf den ökologischen Kollaps ist die Herausforderung der es sich zu stellen gilt.

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Literaturverzeichnis

Feynman, Richard P. Vom Wesen physikalischer Gesetze. Leck: CPI books GmbH, 2018

Harari, Yuval Noah. Homo Deus Eine Geschichte von Morgen. München: Verlag C.H.Beck oHG, 2019

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Marx, Karl in: MEW 23. Das Kapital. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED Berlin/DDR: Dietz Verlag, 1968

Quante Michael. Karl Marx. In Klassiker der Philosophie zweiter Band, von Immanuel Kant bis John Rawls, 129-142. München: Verlag C.H. Beck, 2008

Reichholf, Josef H. Das Rätsel der Menschwerdung. Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel der Natur. München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co KG, 2014

Srnicek, Nick. I Der Lange Niedergang, in: Srineck, Nick. Plattformkapitalismus. Hamburg: Hamburger Edition HIS, 2018
Srnicek, Nick. II Plattformkapitalismus, in: Srineck, Nick. Plattformkapitalismus. Hamburg: Hamburger Edition HIS, 2018

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