KunsTRaum
J.Maulbetsch

Blog: "Literatur - oder was man dafür halten kann"

Im Supermarkt des Lebens gehen wir Tag für Tag unseren Weg durch die Regale voller Waren. Bleiben hier und da stehen, schauen uns etwas genauer an und entscheiden uns dann, ob wir es gebrauchen können, oder nicht.
Das was du aus diesem Blog an Ideen gebrauchen kannst, nimm für dich mit. Alles andere lass getrost liegen.


Administration

Atom

2019-08-31

Wittgenstein und die Privatsprache

Ludwig Wittgenstein ist einer der Denker die man einfach kennen muss.
Ganz einfach aus dem Grund, da er sich die Frage stellt: Was ist Sprache?
Denn, wenn wir kommunizieren, sollte wir uns das Mittel der Kommunikation anschauen: Die Sprache
.

Eine der wichtigsten Erkenntnise für Wittgenstein ist, dass es keine private Sprache geben kann, die wir nur mit uns selbst sprechen können; da Sprache immer ein gemeinschaftliches Konstrukt ist, um das an sich unaussprechliche Leben in die Kleider der Sprache zu packen.
Da Worte immer unvollständig sind, sind wir an die Untiefen und Tücken der Sprache, Grammatik, etc. gebunden.

In den Klammern steht, wo man die angegebenen Zitate und Verweise finden kann.

1.0 Einleitung

Ludwig Wittgenstein untersucht in seinem 1921 veröffentlichten Frühwerk „Tractatus logico philosophicus“ zum ersten Mal die Themen der Logik, der Sprache und des Bewusstseins. Im Folgenden soll es schlicht „Tractatus“ genannt werden. Er war der Meinung, mit diesem Buch viele Probleme der Philosophie gelöst zu haben, da eben diese vielen Probleme daher rühren, dass die Sprachlogik nicht verstanden wurde. (Vgl., Wittgenstein, Tractatus, Punkt 4.003) Genau dieser Sprachlogik wendet sich Wittgenstein in diesem Werk zu und kommt zu dem Schluss, dass es eine ideale Sprache geben muss, mit welcher sich ohne die durch den fehlerhaften Gebrauch der Sprache entstandenen Scheinprobleme, über echte Probleme unterhalten lässt.
15 Jahre Später wendet sich Wittgenstein erneut dem Thema der Sprache zu und es entsteht das Werk der „Philosophischen Untersuchungen“, das 1953, 2 Jahre nach seinem Tod, postum veröffentlicht wurde. Im weiteren Verlauf werden die Philosophischen Untersuchungen kurz als „PU“ bezeichnet. In diesem Spätwerk untersucht er die Philosophie der normalen Sprache und richtet sich gegen das Modell einer idealen Sprache, wie er sie noch in seinem Frühwerk vertreten hatte. Mit normaler Sprache ist in diesem Fall die Sprache des alltäglichen Gebrauches gemeint, welcher er im Tractatus noch einen Mangel unterstellte. Ein zentraler Bestandteil der PU stellt das Privatsprachenargument dar, das besagt, dass es keine private Sprache geben kann. Es ist deshalb interessant, da es die logische Konklusion aus dem Wittgenstein’schen Bild der Sprache ist und damit einen zentralen Punkt in seiner Philosophie der Sprache einnimmt.
Um das Privatsprachenargument verstehen zu können, muss das Wittgenstein‘sche Bild der Sprache, das im Begriff des „Sprachspiels“ kulminiert, verstanden werden. Die Basis dafür liefert das Verständnis der idealen Sprache als Kontrast, sowie das Verständnis der Begriffe von Sinn und Bedeutung im Wittgenstein‘schen Sinne der PU.
Zunächst möchte ich meine Untersuchung mit einem kurzen Umriss der PU beginnen. Anschließend sollen die Begriffe der idealen Sprache, die Begriffe von Sinn und Bedeutung, sowie das Bild des Sprachspieles behandelt werden. Im Anschluss daran widme ich mich der eigentlichen Thematik, dem Privatsprachenargument, bevor ich am Ende mein Fazit ziehen werde.

2.0 Philosophische Untersuchungen

 
 
In seinem Spätwerk greift Wittgenstein das Thema der Sprache erneut auf. Er formuliert dieses Mal die Grundgedanken der Philosophie einer normalen Sprache. Damit verwirft und kritisiert er das zuvor u.a. auch von ihm vertretene Modell einer Idealsprache. Die Schrift der PU ist in Paragraphen gegliedert, die einen aphoristischen und notizhaften Charakter haben. Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, erlahmten Wittgenstein die Gedanken und drohten im Gebrauch der Sprache zu verschwimmen und an Aussagekraft zu verlieren, wenn er das Werk nahtlos zusammenschweißt, weshalb er sich dazu entschied das Werk Paragraphisch zu gliedern und es in grobe Themengebiete zu unterteilen. Den Themengebieten selbst gab Wittgenstein keinerlei Bezeichnungen und Überschriften. Wittgenstein hatte zwar versucht das Werk als eine zusammenhängende Schrift zu verfassen, musste aber einsehen, „dass das Beste was“ er „schreiben konnte, immer nur philosophische Bemerkungen bleiben würden“. (Wittgenstein, 2017, S. 7)
Der Aufbau der PU beginnt mit einer Kritik der idealen Sprache, welche anhand des augustinischen Bildes der Sprache verdeutlicht wird. In seinem Anfangsteil widmet sich Wittgenstein vor allem der Klärung von Sprache, Name, Bedeutung, Wort, Sinn und Satz. Ziemlich schnell führt er sein Bild der Sprache ein, welches das Bild der Idealsprache ersetzen soll und als „Sprachspiel“ bezeichnet wird. Er entdeckt bei Begriffen eine „Familienähnlichkeit“ und stellt sich weiter die Frage nach dem Wesen der Sprache, bevor er sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Philosophie und Sprache beschäftigt. Anschließend kommt er zum Prinzip des Regelfolgens und muss erkennen, dass Regeln in der Welt nicht existieren, sondern dem Menschen vom Menschen vorgegebene Befehle sind was auf was zu folgen hat.(Vgl., Wittgenstein, PU 206a) Als Folge seines bis hierhin entwickelten Bildes der Sprache ergeben sich für Wittgenstein drei Probleme, die sich nur lösen lassen indem er annimmt: es kann keine Privatsprache geben.
Dieser als Privatsprachenargument bekannt gewordene Sachverhalt stellt einen Wendepunkt in Wittgensteins Werk dar, da ab diesem Punkt die nachfolgenden Paragraphen überwiegend die sich daraus ergebenden Konsequenzen des Arguments behandeln.

2.1 Das modell einer idealen Sprache

Um verstehen zu können wogegen sich Wittgenstein in seinen Philosophischen Untersuchungen richtet, soll im Folgenden das Modell einer idealen Sprache kurz umrissen werden. Dabei soll im Besonderen auf Wittgensteins früheres Werk, den Tractatus, Bezug genommen werden.
In einem Philosophischen Lexikon heißt es zur Idealsprache:
„Die ideale Sprache stellt ein Ideal dar, dem man sich in der Wirklichkeit annähern kann, das als Orientierung für die Institutionalisierung von Diskursen und als kritischer Maßstab dienen kann, an dem sich jeder faktisch erreichte Konsens messen läßt“.(Prechtel, 1996, S. 495)
Danach stellt die Idealsprache ein unerschütterliches Faktum dar, woran man sich orientieren kann was wahr, falsch, sinnig, oder unsinnig ist. In seinem Frühwerk, dem Tractatus, skizziert Wittgenstein eine Welt die sich in Tatsachen zergliedern lässt, von denen der Mensch sich Bilder macht. Die Tatsache definiert sich als das Bestehen von Sachverhalten in der Welt. Die Gedanken finden in der Sprache ihren Ausdruck und treten somit in eine Wechselbeziehung mit der Welt. Denn die Gedanken sind: „Das logische Bild der Tatsachen“. ( Wittgenstein, Tractatus, Punkt 3) Dabei lässt sich eindeutig feststellen, ob ein Satz wahr oder falsch, sinnig oder unsinnig ist. Man zerlegt ihn dazu in Elementarsätze, welche ähnlich den Atomen die Materie, als kleinste Bestandteile die Sprache aufbauen. Diese gleicht man anschließend „mit den Möglichkeiten des Bestehens und Nichtbestehens der Sachverhalte ab“. (Wittgenstein, Tractatus, Punkt 4.2) Unter Punkt 4 des Tractatus kommt Wittgenstein zu dem Schluss, dass der allgemeinste Satz der Sprache lautet: „Es verhält sich so und so“. (Wittgenstein, Tractatus, Punkt 4.5) Damit ist gemeint, dass ein Satz einem eindeutig in der Welt bestehenden Sachverhalt zugeordnet werden kann, dieser damit sinnig, wahr oder falsch und damit unmissverständlich ist. Diese unmissverständliche Art der aus Sätzen bestehenden Sprache erlaubt es den Sprechern sich verständlich und klar über ein und dieselbe Sache zu unterhalten. Durch die Verknüpfung von Sprache, Welt und Gedanken folgt als Konklusion: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. (Wittgenstein, Tractatus, Punkt 5.6) Im Alltag wird diese Feinstruktur der Sprache nicht erreicht, die Welt bleibt klein und klumpig, es entstehen Missverständnisse und Unklarheiten die mit dem fehlerhaften Gebrauch der Sprach einhergehen. Abschließend erweitert Wittgenstein die auf die Idealsprache begrenzte Welt mit dem Satz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“. (Wittgenstein, Tractatus, Punkt 7)
Die Schlussfolgerung aus alldem ist, dass es in der Welt nur eine wahre Sprache geben kann, die Idealsprache die sich an den Tatsachen dieser Welt orientiert. Alle von dieser Sprache abweichenden Sprachformen wie z.B. die alltägliche Sprache sind fehlerhaft und führen zu Missverständnissen. Man sollte sich deshalb der idealen Sprache bedienen um sich nicht in Diskussionen über sprachverschuldete Missverständnisse zu verlieren. In seinem späteren Werk, den PU, nimmt Wittgenstein insofern Bezug, dass er die Idealsprache verwirft, da die alltägliche Sprache nicht Fehlerhaft ist. Die Wirklichkeit ist eben komplexer als der ideale Schein.

2.2 Sinn und Bedeutung ist der Gebrauch

Um die Verknüpfung von Sinn und Bedeutung mit dem Gebrauch verständlich aufzuzeigen, muss ganz von vorne in den PU begonnen werden, wo Wittgenstein Augustinus zitiert um an das Bild der noch vor einigen Jahren selbst vertretenen idealen Sprache anzuknüpfen. Augustinus beschreibt in diesem Zitat, dass er durch Gesten wie die der Zuwendung und Benennung die Namen der Gegenstände erlernte und sie anschließend in Sätzen der Sprache zu verwenden wusste, um sich auszudrücken. Auf Augustinus bezogen schreibt Wittgenstein: „In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes Wort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist einem Wort zugeordnet“. (Wittgenstein, PU 1) Damit meint Wittgenstein: „Dieses hinweisende Lehren der Wörter, kann man sagen, schlägt eine assoziative Verbindung zwischen dem Wort und dem Ding“. (Wittgenstein, PU 6) Für Wittgenstein ist dies ein „abrichten“ (Vgl., Wittgenstein, PU 5 & PU 6), indem ein Mensch darauf gedrillt wird Wörtern mit einem in der Welt existierenden Ding zu assoziieren. Dieses „abrichten“ erkennt er in PU 5 als ein grundlegendes Sprachspiel des Lehrens einer Sprache an.
Bei dem augustinischen Bild der Sprache ergeben sich zwei Punkte: Zum einen der, dass man aus einem kontextabhängigen Spezialfall etwas über ein allgemeines System sagen möchte. Dabei handelt es sich um die einzigartige Situation, die in eine Umgebung eingebettet ist, die erst das verstehen des Gesprochenen ermöglicht, denn „mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinweisende Lehren dieser Wörter ein ganz anderes Verständnis bewirkt“. (Wittgenstein, PU 6) Damit ist gemeint, dass immer die Frage des „was gemeint ist“ mitschwingt und diese aus der einzigartigen und aktuellen Situation heraus beantwortet wird. Man denke dabei an ein Wort wie „Decke“ das Kontextabhängig mal ein großes Stofftuch im häuslichen Gebrauch meint, mal eine Betonplatte über unseren Köpfen. Zum anderen, dass man schon über eine Sprache verfügen muss (Vgl., Wittgenstein, PU 32), wenn auch primitiv, um dieses abrichtende Lernen zu verstehen und anzuwenden. Wittgenstein löst beide Probleme indem er den Begriff des „Sprachspiels“ in PU 7 einführt. Was es damit auf sich hat, werde ich im nächsten Punkt darlegen. Doch zunächst soll geklärt werden was Wittgenstein damit meint, wenn er von Sinn und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Gebrauch spricht.
Im Modell der Wittgensteinschen Idealsprache des Tractatus haben Wörter noch eine eindeutige Bedeutung, aber keinen Sinn und Sätze einen eindeutigen Sinn, aber keine Bedeutung. (Vgl., Glock, 2010, S 72) Die Bedeutung habenden Wörter bilden Sätze und diese Sätze können je nachdem was sie darstellen wahr oder falsch sein. Dabei zeigt sich der Sinn eines Satzes indem wie dieser sich verhält, vorausgesetzt der Satz ist wahr. Gegen dieses starre Modell richten sich die PU indem Wittgenstein zeigen möchte, wie dynamisch und lebhaft Sinn und Bedeutung in unserer Sprache sind, wenn man sie im Kontext betrachtet: Den PU zufolge ergeben sich die Bedeutung eines Wortes und der Sinn eines Satzes erst durch den Gebrauch der Sprache. Der hier vielzitierte Paragraph ist PU 43, in welchem Wittgenstein explizit schreibt: „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“. (Wittgenstein, PU 43) Für Eike von Savigny kommt dieser Ausspruch bei Wittgenstein allerdings nicht in dieser Deutlichkeit vor, da er diesen Paragraphen in einem anderen Zusammenhang sieht. Er beruft sich auf das Prinzip von Occams Rasiermesser, dass Wort und Bedeutung, sowie Satz und Sinn in den PU nur Sinn ergeben, wenn man Wörter und Sätze auf diese Art und Weise des Gebrauchs interpretiert. (Vgl. von Savigny, 1998, S.8 ff)

2.3 Das Sprachspiel

Wittgenstein richtet sich zu Beginn der PU dagegen, dass Worte Bedeutungen in der Welt entsprechen. Im weiteren Verlauf des ersten Paragraphen konfrontiert Wittgenstein das augustinische Bild der Sprache mit einem Beispiel eines einkaufenden Menschen, der mit dem Verkäufer zusammen anhand eines Zettels diese Aufgabe ausführt. (Vgl., Wittgenstein, PU1) Wittgenstein zeigt mit diesem Beispiel, dass die Bedeutung der auf dem Zettel vermerkten Symbole irrelevant ist und es stattdessen auf den Gebrauch dieser Symbole ankommt. Damit ergeben sich zwei Bilder einer Sprache die konträr wirken und nach Lange soll: „die Faszination des augustinischen Bildes erschüttert und das andere [Wittgensteins Bild] als das hilfreichere für ein Verständnis des Wesens der Sprache erwiesen werden“. (Lange, 1998, S. 139) Das was ersetzt werden soll haben wir schon im Modell der idealen Sprache kennen gelernt und dieses Bild der Sprache soll mithilfe der PU durch das neue Bild der Sprachspiele ersetzt werden.
Der Begriff des Sprachspiels taucht das erste Mal in PU 7 auf und wird von Wittgenstein bereits in PU 6 vorbereitet indem er schreibt: „Mit einem anderen Unterricht hätte dasselbe hinweisende Lehren [abrichten] dieser Wörter ein ganz anderes Verständnis bewirkt“. (Wittgenstein, PU 6) Damit meint Wittgenstein, dass es auf den Kontext ankommt, welcher in die Umgebung eingebettet ist und bestimmt wie ein Begriff oder ein Satz zu verstehen sei, welcher Sinn und welche Bedeutung durch den Gebrauch entstehen.
Man darf sich vom Wort „Spiel“ nicht Irreleiten lassen, denn das Sprechen einer Sprache ist kein Spiel. Dieses hat mit dem Spiel nur den formalen Charakter der Familienähnlichkeit gemein, welcher beide Begriffe (Spiel und Sprache) in Verbindung treten lässt. (Vgl., Wittgenstein, PU 67) Oder anders ausgedrückt: Mit dem Wort „Decke“ ist im einen Fall das gemeint was man im häuslichen Gebrauch verwendet und im anderen Fall das, was den Raum nach oben hin abdeckt. Die beiden Fälle unterscheiden sich dahingehend, dass ein anderer Kontext, ein anderes Spiel, ein anderer Gebrauch der Sprache vorherrscht. So verhält es sich auch bei Ballspielen, Brettspielen und Kartenspielen, die wenig miteinander gemeinsam haben und deren einzige Verbindung die Familienähnlichkeit ist, die diese Spiele darüber miteinander in Verbindung treten lassen. Dabei ist beim Begriff der Familienähnlichkeit zu beachten: „dass sie nicht durch ein durchgehendes gemeinsames Merkmal verbunden sind, sondern durch ein „kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen und kreuzen“.“ (Lange, 1998, S. 140)
Wittgensteins Sprachspielbegriff reicht von primitiven Sprachspielen, wie dem des Erlernens der Muttersprache durch abrichten, bis hin zu komplexeren Sprachspielen, die mit ihrer Umgebung auf verschiedenen Ebenen in Verbindung getreten sind. (Vgl., Wittgenstein, PU 7)
Wie weitgefasst Wittgensteins Sprachbegriff geht, wird in der Frage deutlich, die er dem Leser in PU 16a stellt, ob Sprachspiele wie das Zeigen eines Farbmusters zur Sprache gehören und er diese mit „Zur Wortsprache gehören sie nicht“ (Wittgenstein, PU 16a) beantwortet. Damit erweitert Wittgenstein den Begriff des Sprachspiels auf Tätigkeiten die nicht mehr unmittelbar mit dem reinen Sprechakt selbst zu tun haben und doch durch den Begriff der Familienähnlichkeit zum Sprachspiel dazu gehören. Durch die Öffnung des Begriffes im Sinne des nicht wortsprachlichen, lässt sich auf einen Schlag die gesamte Welt als Sprache und als Sprachspiel ansehen. Jede noch so kleine Geste, oder auch noch so kleine Molekülverbindung die im Körper an irgendeinem Mechanismus beteiligt ist, bekommt im richtigen Licht ihrer Umgebung die Bedeutung einer Sprache zugeordnet. Die Welt der Sprachspiele bekommt damit eine ungeahnte Komponente der Komplexität in der sich leicht verlieren lässt. Diese Komponente der Komplexität nennt Wittgenstein eine „Tätigkeit“, oder eine „Lebensform“. (Vgl., Wittgenstein, PU 19a, PU 23) Sie sind selbst kein Sprachspiel, sondern stellen nach Eike von Savigny das dar, worin die Sprachspiele eingebettet sind. Von Savigny schreibt dazu: „Verschiedene Sprachen kommen dabei gerade durch Unterschiede zwischen den einbettenden Lebensformen zustande“. (von Savigny, 1998, S. 34) Innerhalb dieser Lebensformen bewegen sich die Sprecher der Sprachspiele und diese sind es auch die bestimmen wie weit die Sprachspiele die nicht wortsprachliche Welt, über z.B. Gesten, symbolische Handlungen, Metaphern, Kunst, etc., miteinbeziehen.
Wir haben also gesehen, dass Sprache durch das primitive Sprachspiel der Abrichtung erlernt wird und über die Gruppe der Sprachspiele in eine Lebensform eingebettet ist. Dabei sind Sprachspiele ein komplexes Geflecht aus Familienähnlichkeiten, Regeln und Begriffen, mithilfe derer sich die Sprecher innerhalb einer Lebensform bewegen. Durch den Aufbau der Sprache in Sprachspiele und die Einbettung in eine Lebensform, stellt sich die Frage, ob man für Sprachspiele mehrere Spieler braucht, oder ob es auch alleine möglich ist eine Sprache zu entwickeln. Es ist die Frage danach, ob ein Individuum in der Lage ist seine eigene Sprache zu entwickeln, die es nur mit sich selbst spricht und sprechen kann. Diese Frage beantwortet Wittgenstein mit seinem unter dem Namen „Privatsprachenargument“ berühmt gewordenen Argument, in welchem er genau diese Frage behandelt und zu einem eindeutigen Ergebnis kommt.

3.0 Das Privatsprachenargument

Bevor ich mich der Argumentation zuwende, möchte ich zunächst klären um welche Form der privaten Sprache es sich hierbei handelt. Es soll nicht um die Art private Sprache gehen wie sie oft im Zusammenhang mit Robinson Crusoe steht, welcher alleine auf einer Insel Gegenstände benennt, Regeln erfindet und so mit sich selbst in einer Sprache spricht die zunächst nur er selbst verstehen kann. Zunächst deshalb, da es einem dritten jederzeit möglich ist diese Sprache zu erlernen. Das ist deshalb möglich, da sie durch die Benennung von Gegenständen in der Welt in eben dieser Welt manifestiert ist. Diese Art der Sprache meint Wittgenstein nicht, wenn er hier von einer privaten Sprache spricht. Er bezieht sich auf das Phänomen der Privatheit der inneren Empfindungen die anders als Gegenstände in der Welt (wie z.B. Palmen, Steine, Tiere), nur einer einzigen Person zugänglich sind und sein werden. Die Idee ist die, dass man ähnlich der äußeren Welt auch innere Dinge in Form von privaten Empfindungen benennen kann. Diese sind damit nur für den Sprecher zugänglichen und auch allein dieser kann daraus eine einzig und allein ihm zugängliche und verständliche Sprache formen. ( Vgl., Wittgenstein, PU 243b )
Wittgensteins Privatsprachenargument lässt sich in drei Argumente zergliedern. Erstens: Um Sprache erwerben zu können muss es mindestens zwei Personen geben: eine Lehrende und eine Lernende. Zweitens: Regeln sind für Wittgenstein eine soziale Übereinkunft und können daher nicht im Individuellen existieren. Drittens: Das Hauptargument stützt sich auf das Schema der PU 202 und besagt, dass es nur in einer Gemeinschaft echtes Wissen geben kann, denn in einer privaten Sprache fallen „wissen“ und „zu wissen glauben“ zusammen und sind damit nichtmehr voneinander zu unterscheiden.
Die erste Argumentation begegnet uns im augustinische Bild der Sprache indem ein Kind daraufhin abgerichtet wird: „diese Tätigkeiten zu verrichten, diese Wörter dabei zu gebrauchen, und so auf die Worte des Anderen zu reagieren“. (Wittgenstein, PU 6a) Dabei steht deutlich die soziale Komponente im Vordergrund, dass es mindestens zwei Personen sind, welche die Sprache gebrauchen. Zu Beginn eine Person die das Kind daraufhin abrichtet wie die Sprache zu gebrauchen ist und welche Begriffe es gibt. Später braucht es mindestens eine andere Person, mit welcher sich die abgerichtete Person unterhalten und damit das gelernte anwenden kann. Was diese Argumentation allerdings schwach werden lässt ist der Einwand, eine Person kann sich zu jedem gegebenen Zeitpunkt auch selbst abrichten und daraufhin aufbauend auch mit sich selbst kommunizieren. Diese Art der Kommunikation und die daraus resultierende Sprache kann nur von der sie ins Leben gerufenen Person verstanden und gebraucht werden. Damit die Sprache privatim bleibt, muss sie sich auf innere Empfindungen beziehen, denn alles was sich auf Äußeres bezieht, kann von einem Dritten erlernt werden. Hier offenbaren sich die Schwächen des Einwandes: Auf diese inneren Empfindungen kann aber nicht so einfach Bezug genommen werden wie auf äußere Dinge, denn man kann nicht einfach auf einen Schmerz, oder ein Jucken zeigen wie auf Palmen, Tiere oder Muscheln. (Vgl., Glock, 2010, S. 289) Gesetzt der Fall es ist einer Person möglich dies zu tun, steht diese vor der nächsten Herausforderung: Sie muss sich erinnern an vergangene Empfindungen um ihre eigenen Begriffe nicht entgegen ihrer eigenen Sprache zu gebrauchen. Da es keine ideale Sprache und somit auch keinen idealen Baum, Hund oder Katze gibt, bleibt etwas Spielraum, welcher allerdings nicht ausschließen kann, dass man sich „falsch erinnert“ und somit den zuvor definierten Begriff „falsch verwendet“.
Die zweite Argumentation legt den Schwerpunkt auf den Vorgang des Folgens von Regeln. Wittgenstein schreibt davon, dass „einer Regel folgen […] analog“ dem ist: „einem Befehl folgen“. (Wittgenstein, PU 206) Hier offenbart sich das Argument der sozialen Übereinkunft im Folgen von Regeln, „denn unsere Praxis beruht auf Übereinstimmung in Reaktionen und Handlungen“. (Lange, 1998, S. 248) Damit ist gemeint, dass die soziale Übereinkunft im Befolgen eines Befehls diesen erst zu einem Befehl macht und die des Folgens einer Regel, diese erst zu einer Regel machen. Die Frage die sich stellt ist die: welches ist die angemessene Reaktion auf einen Befehl, bzw. auf eine Regel? Die Antwort liefert uns das primitive Sprachspiel des Erlernens: das Abrichten; denn man hat es so gelernt, man wurde abgerichtet darauf so zu reagieren. Das Problem dabei ist, Regel und Befehl hören auf diese zu sein, „wenn der Eine so, der Andere anders auf Befehlen und Abrichtung reagierte“, denn dann: „ hätte keiner Recht“. (Lange, S. 248)
Regel gerichtetes Verhalten ist in einer Gesellschaft wichtig um unabhängig von Gemeinsamkeiten die Handlungsweise und Sprache eines anderen verstehen zu können. Handelt jeder nach seinen eigenen Regeln die nichtmehr mithilfe einer „sozialen Übereinkunft“ in der Gesellschaft manifestiert sind, tritt ein Phänomen auf das Wittgenstein in PU 202 beschreibt:
„Und der Regel zu folgen [font=Calibri]glauben[/font] ist nicht: der Regel folgen. Und darum kann man nicht der Regel „privatim“ folgen, weil sonst der Regel folgen glauben dasselbe wäre, wie der Regel folgen“. (Wittgenstein, PU 202)
Fallen in diesem Fall Regel und die Illusion über eine Regel zusammen, verliert die Regel ihren Wahrheitsanspruch und das eine was auf das andere folgt, kann auch von Willkür und Zufall sein. Um abzugleichen was Regel und was Illusion über eine Regel ist, bedarf es der Gesellschaft. Mithilfe der Gesellschaft wird diese nicht nur zu einem Maßstab was die Richtigkeit der Anwendung und somit die Regel selbst betrifft, sondern auch die Regel zu einer öffentlichen und sozialen Übereinkunft. Man mag wohl wieder einwenden, dass man auch seine privaten Regeln entwickeln und sich daran halten kann, doch auch hier sei wieder eingewendet, dass es das Problem der täuschenden Erinnerung gibt und dieses wiederum führt direkt zu dem Problem, das Wittgenstein mit PU 202 sehr deutlich ausdrückt.
Eng verwandt mit dem Schema von PU 202 und dem glauben daran einer Regel zu folgen ist das, was das Hauptargument darstellt und sich auf den Sachverhalt des Wissens bezieht. Denn, wenn Wissen und zu wissen glauben zusammenfallen, steht das Wort Wissen im Kontrast zu dem, „wie es normalerweise gebraucht wird (und wie sollen wir es denn gebrauchen!)“. (Vgl., Wittgenstein, PU 246)
Zwar drückt Wittgenstein diesen Sachverhalt des Wissens nicht auf die Art und Weise so direkt aus wie er es im Fall des Folgens von Regeln tut, doch lässt sich dieses Bild aus mehreren Stücken zusammensetzen um es klar im Privatsprachenargument formulieren zu können: Es gibt keine private Sprache.
Das Schema beim Wissen ist dasselbe wie beim Folgen von Regeln: etwas und die Illusion von etwas fallen zusammen, da es keinen Maßstab gibt, mit dem man das etwas abgleichen kann um Wissen von bloßer Subjektivität zu unterscheiden. „Meinen“ ist ein „zu wissen glauben“, welches durch ein Überprüfen der Meinung zu „Wissen“ werden kann. Um einen Begriff erst in seiner gesamten Bandbreite anwenden zu können, muss man wissen was das Wort bezeichnet. (Vgl., Wittgenstein, PU 264) Im Falle des Wortes Wissen muss ein Sachverhalt, welcher Wissen oder zu wissen glauben beinhalten kann, sowohl im subjektiven als auch im objektiven für Wahr gehalten werden, um als Wissen zu gelten. („Den Status des Führwahrhaltens sieht Kant als Kriterium für Meinen, Glauben und Wissen: „Meinen ist ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv, als objektiv unzureichendes Führwahrhalten. Ist das letztere nur subjektiv zureichend und wird zugleich für objektiv unzureichend gehalten, so heißt es Glauben. Endlich heißt das sowohl subjektiv als objektiv zureichende Führwahrhalten das Wissen.“ (KrV B 850)“ - Neuser, 1996, S. 576) Um seine Meinung verifizieren zu können sind daher ein oder mehrere Repräsentanten der Gesellschaft notwendig, der oder die, die Meinung bestätigen. Oder aber es ist eine Verifizierung in der Welt nötig, wie es z.B. bei empirischen Studien der Fall ist. So muss einer der beiden Fälle in ausreichendem Maße eingetreten sein um überhaupt von Wissen sprechen zu können.
Die Folge davon ist, dass die Meinung nie verifiziert werden kann, ob man tatsächlich diese Empfindung mit einem Symbol verbunden hat, geschweige denn, ob man es auch im Gebrauch anwenden kann. Deshalb kann man nie wissen ob die mit Empfindungen verbundenen Regeln und Symbole auch tatsächlich das sind wofür sie gehalten werden. Denn, es fehlt schlicht und einfach der nötige objektive Beweis, und man Verhält sich wie einer, der sagt er weiß wie groß er ist und sich dabei die Hand an den Scheitel hält. (Vgl., Wittgenstein, PU 279)
Die Konklusion aus allen drei Argumentationen ist, dass es keine private, im Sinne einer sich auf die inneren Empfindungen beziehenden und nur dem Empfindenden zugänglichen, Sprache gibt. Sprache ist eine Lebensform die in- und durch die Gesellschaft definiert, gelebt, gelehrt, gelernt und in- und durch Sprachspielen angewendet wird.

4.0 Fazit

Ist Wittgenstein in seinem Frühwerk noch der Meinung es gibt eine ideale Sprache die eindeutig den Gebrauch über Sinn und Bedeutung definiert, definiert in seinem Spätwerk der Gebrauch über Sinn und Bedeutung der Sprache. Sein in seinem Spätwerk entwickeltes Bild der Sprache soll das alte Modell ersetzen um im Lichte dessen den Problemen die die Sprache mit sich bringt zu entgehen. Eine logische Folge seines Modells der Sprachspiele ist, dass Sprache eine soziale Übereinkunft ist und es somit keine private Sprache geben kann. Sprache ist etwas in und durch die Gemeinschaft lebendiges und kann zwar in ein Individuum eindringen und seine inneren Empfindungen ausleuchten, doch kann das Individuum keine eigene nur ihm zugängliche und auf seinen Empfindungen basierende Sprache entwickeln und sprechen.
Steht das Individuum über die Sprachspiele in ständigem Kontakt mit den in der Gesellschaft festgelegten Normen und Absprachen, ist es ein Austausch zwischen den Teilnehmern die nicht nur in der Lage sind die Normen und Absprachen zu übernehmen, sondern diese auch zu ändern. So können beispielsweise viele Individuen dieselbe Regel empfinden und diese in die Sprache einbringen. Schwierig wird es, wenn sich innerhalb eines Sprachraums die Lebensumstände für verschiedene Individuen dahingehend ändern, dass sie stark voneinander abweichen und so diesen Sachverhalt der Sprachentstehung begünstigen können. Fritz Lang beleuchtet so einen Sachverhalt in seinem Film „Metropolis“ aus dem Jahre 1927 indem er in Anlehnung an die biblische Geschichte des Turmbaus zu Babel die Menschen eine Stadt bauen lässt, Metropolis, und sich die Bewohner durch die sich stark voneinander unterscheidenden Lebensbedingungen innerhalb der Stadt nichtmehr verständigen können. Er bringt es dabei mit folgendem Satz auf den Punkt: „Gleiche Sprache sprechend, verstanden die Menschen sich nicht“. ( Fritz Lang, Metropolis, bei: 54:55) In diesem Sinne bleibt es eine offene Diskussion in wie weit sich hier eine „private Sprache“ etabliert hat. Nach Wittgensteins Auffassung würde dieser das klar verneinen, denn es handelt sich dabei noch immer um mehrere Personen die ein zwar annähernd privat gewordenes Spiel spielen, doch es erstreckt sich noch immer über mehrere Personen und somit ist der klare Sachverhalt des Individuums nicht erfüllt. Einziger Punkt hier anzusetzen wäre die Frage inwiefern sich Gruppen als Individuen verstehen, doch hier muss man aufpassen um sich nicht weiter in den Verstrickungen der Sprache zu verrennen die am Ende vielleicht doch nur dazu führen sich gegen die Windmühlen der Sprachprobleme anzukämpfen zu sehen.

—————————————————————————————————————————

Literaturverzeichnis

Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 2017
 
Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus: logisch-philosophische Abhandlung, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1992
 
„Sprechsituation, ideale.“ Prechtl, Peter, München/Berlin in: Prechtel, Peter und Burkhard, Franz-Peter: Metzler Philosophie Lexikon: Begriffe und Definitionen, J.B. Metzler, Stuttgart 1996
 
„Bedeutung“ Glock, Hans-Johann in: Glock, Hans-Johann: Wittgenstein Lexikon, WBG, Darmstadt, 2010
 
„Sprachspiele und Lebensform“, von Savigny, Eike, in: von Savigny, Eike: Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen in: Höffe, Ottfried: Klassiker Auslegen Bd. 13, Akademieverlag, Berlin, 1998
 
Lange, Ernst-Michael: Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1998
 
„Wissen“ Neuser, Wolfgang, Heidelberg in: Prechtel, Peter und Burkhard, Franz-Peter: Metzler Philosophie Lexikon: Begriffe und Definitionen, J.B. Metzler, Stuttgart 1996
 
Lang, Fritz: Metropolis, https://www.youtube.com/watch?v=gFrla6Z9iS8 ,aufgerufen am: 28.04.2018
 

Admin - 06:20:38 | Kommentar hinzufügen

Kommentar hinzufügen

Die Felder Name und Kommentar sind Pflichtfelder.

Um automatisierten Spam zu reduzieren, ist diese Funktion mit einem Captcha geschützt.

Dazu müssen Inhalte des Drittanbieters Google geladen und Cookies gespeichert werden.